Haushaltsrede von Erich Bolinius (FDP) zum Haushalt 2022 der Stadt Emden

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Emden, den 30.3.22

 

FDP-Fraktion

Erich Bolinius

Fraktionsvorsitzender

 

- es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Kruithoff am Bildschirm, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, hier in der Nordseehalle.

Meine Vorredner haben viele Punkte und viele wichtige Zahlen der Stadt schon angesprochen. Seit dem Jahr 1996 habe ich als FDP-Fraktionsvorsitzender jeweils zum Haushalt eine Rede gehalten. Aber über ein so schlechtes Ergebnis habe ich in den letzten 26 Jahren noch nicht berichten dürfen.

Seit nahezu 2 Jahren leben wir in einer angespannten, pandemischen Zeit und unser bisheriges Leben hat sich total verändert. Kein Händedruck, keine Umarmung zur Begrüßung, keine spontanen Treffen mit Freunden, Familienfeste, Beerdigungen mit Trauerfeiern nur im kleinen Kreis, kulturelle Veranstaltungen nur mit großen Vorsichtsmaßnahmen, wie auch unsere Stadtrats- und Ausschusssitzungen. Aber es soll ja in einigen Tagen besser werden, wenn viele Verordnungen wegfallen.

Ein weiteres großes Problem wird uns auch in der kommenden Zeit beschäftigen, der Angriffskrieg von Putin auf die Ukraine. Wie bringen wir die Flüchtlinge aus der Ukraine unter und welche finanziellen Auswirkungen hat der Krieg auf unsere Wirtschaft? Und welche Auswirkungen werden kommen, wenn keine Gas- und Öllieferungen aus Russland uns erreichen? Vor dem Hintergrund der aktuellen weltpolitischen Lage  müssen wir in Deutschland nach mehr Unabhängigkeit im Energiesektor streben. Die Stadt Emden hat als 100%-Klimaschutz-Masterplankommune ein hohes Interesse am weiteren Ausbau erneuerbarer Energien und einer nachhaltigen Produktion von Wasserstoff als Schlüsseltechnologie unseres zukünftigen Energiesystems. Es gibt ein großes Projekt von Emder Unternehmen in Emden, welches von uns als FDP-Fraktion begrüßt und unterstützt wird, gleichwohl bestehen zwei große Herausforderungen im Hinblick auf den Standort der geplanten Photovoltaik-Freiflächenanlage für dieses Vorhaben – Wybelsumer Polder oder Rysumer Nacken. Wir begrüßen es, dass die Stadtwerke an der A31 in Emden eine große Photovoltaikanlage plant. Wir von der FDP haben zwei Vorschläge hierzu in den Rat eingebracht, und zwar Erstellung von Photovoltaikanlagen auf städtischen Gebäuden und PV-Carports mit Photovoltaikmodulen auf großen öffentlichen Parkflächen.

Wir haben uns auf einer Haushalts-Klausurtagung auch mit diesen Themen beschäftigt. Für die Unterstützung auf dieser Klausur möchte ich mich beim Kämmerer Horst Jahnke und beim Finanzfachdienstleiter Stefan Jakobs herzlich bedanken.

Meine Damen und Herren,

wie hält man eine Haushaltsrede, ohne einen tragfähigen Haushalt? Wie blickt man auf 2022 und später, wenn wir gar nicht wissen, wie das gesellschaftliche Leben in der nächsten Zeit weitergeht? Da sind Prognosen nur schwer zu machen.

Herr Jahnke hat vorhin bereits auf die wichtigsten Positionen des Haushaltes hingewiesen.

Es ist erfreulich, dass die Fraktionen aufgrund der prekären Finanzlage der Stadt Emden letztendlich keine Anträge, die zusätzlich Ausgaben verursacht hätten, gestellt haben.

Die Gesamterträge im Haushalt 2022 belaufen sich, auf rund 184 Millionen Euro, demgegenüber stehen Ausgaben in Höhe von rund 202 Millionen Euro, so dass sich ein Defizit von rund 18,4 Millionen Euro ergibt. Im Jahr 2023 ergibt sich ein Minus von 16,4 Millionen Euro, im Jahr 2024 ein Minus von rund 16 Millionen Euro, im Jahr 2025 von 15,4 Millionen Euro ermittelt wurde. Das sind beunruhigende Zahlen!

Die Gewerbesteuereinnahme wurde noch mit 37 Millionen angesetzt. Ich glaube aber nicht, dass wir diesen Betrag aufgrund der Hiobsbotschaften, die uns durch den Krieg täglich erreichen, werden halten können.  Zum Vergleich im Jahr 2016 haben wir 56 Millionen Euro bekommen. Der Ansatz im Jahr 2025 beträgt 48 Millionen Euro, das wäre ein Betrag etwa auf ein Niveau, den wir in früheren Jahren erreicht haben. Wir können nur hoffen, dass der Krieg in der Ukraine bald vorbei ist und unser Hauptsteuerzahler mit der Umstellung auf E-Mobilität Erfolg hat. Wenn nicht, sieht es auch um unsere städtischen Finanzen in den kommenden Jahren sehr düster aus.

Der Personalaufwand beträgt im Jahr 2022 rund 57 Millionen Euro, das sind rund 30 Prozent der Gesamtaufwendungen. Die SPD-Fraktion hat angekündigt, ihr Augenmerk besonders auf die Einsparungen beim Personal zu legen. Das ist löblich, aber wie wollen wir vom Rat von uns aus beurteilen, ob das Personal optimal eingesetzt ist? Hier können wir meines Erachtens nur auf unseren Oberbürgermeister verlassen oder mit externen Gutachter eine objektive Prüfung durchführen. Aber diese kosten auch wieder viel Geld. Hier muss klug abgewogen werden, was zu tun ist.

Der Transferaufwand beträgt rund 82 Millionen Euro, davon entfallen auf den Fachbereich 600 (Jugend, Schule und Sport) rund 56 Millionen Euro und auf den Fachbereich 500 (Gesundheit und Soziales) rund 18 Millionen Euro. Es würde zu weit führen, diese Beträge, die uns fast ausnahmslos vom Staat auferlegt werden, hier alle aufzuführen. Einsparungen sind hier seitens der Stadt fast nicht möglich.

Der Sachaufwand beläuft sich auf rund 50 Millionen Euro.

Im aktuellen Ergebnishaushalt sind Förderanträge in Höhe von rund 6,4 Millionen Euro enthalten, die Förderung beträgt rund 5 Millionen Euro, das sind fast 80 Prozent. Zu diesem Ergebnis ist der Verwaltung ein Lob zu machen.

Das Investitionsprogramm im Kernhaushalt beläuft sich für die Jahre 2022 bis 2025 auf ein Ausgabevolumen von rund 68 Millionen und Einnahmen von rund 40 Millionen.

Die FDP-Fraktion begrüßt dieses Investitionsprogramm, wir investieren alleine im Jahr 2022 rund 20 Millionen Euro. Die Investitionen, die wir von der FDP-Fraktion für wichtig halten, möchte ich hier nennen: für Familien, Kinder, Jugend, Bildung und Sport sind 1,8 Millionen vorgesehen. Für die kommunale Infrastruktur sind 4,1 Millionen Euro angesetzt. Für den Bereich Stadtentwicklung, Umwelt und Wirtschaftsförderung beträgt der Ansatz 10,9 Millionen Euro, das ist auch der größte Posten. Auch in den nächsten Jahren soll weiter investiert werden, so im Jahr 2023 auch 20.3 Millionen Euro.

Es würde auch hier zu weit führen, wenn ich die Investitionen alle hier im Einzelnen nennen würde. Aber es ist schon wichtig, dass die Maßnahmen „Soziale Stadt Barenburg, Port-Arthur und Borssum“ mit erheblichen Mitteln weitergeführt werden. Wichtig sind auch die Mittel für die Digitalisierung, hier insbesondere für die Schulen, Ausbau der Krippen, Innenstadtsanierung, Straßenbau und Radwege, Brückeninstandsetzungen und Instandsetzung des Troges (rund 2 Millionen Aufwand, 800.000 Einnahmen). Über eine Maßnahme freue ich mich persönlich sehr, und das ist, dass ein Liegeplatz für Flusskreuzfahrtschiffe geschaffen wird. Tourismus wird für unsere Stadt, die sehr viel Wasserflächen hat und am Wasser liegt, immer wichtiger.

Dass die Entwicklung des Baugebietes Conrebbersweg voranschreitet, trotz mehrfacher Störungen durch Anfragen der Grünen, freut uns sehr. Aber wir möchten auch Baugebiete in den Vororten, so u.a. in Twixlum, Wybelsum und Wolthusen, wie in Petkum schon geschehen, zukünftig ausweisen. Wir wissen, dass die dortigen jungen Bewohner gerne dort weiterleben würden.

Die FDP-Fraktion hofft immer noch, dass sich irgendeine größere Ansiedlung auf dem Rysumer Nacken realisieren lässt. Der Bebauungsplan sieht u.a. ein Kraftwerk vor. Gerade in dieser Krisenzeit sollten die Landes- und Bundesregierung darüber nachdenken, ob nicht zunächst ein Gaskraftwerk dort erstellt werden kann, der später auf Wasserstoff umgestellt werden kann. Machbar ist das. Wenn wir über den Dollart nach Holland schauen, dann kann man neidisch werden auf die vielen Projekte, die dort in kurzer Zeit von den Niederländern umgesetzt werden.

Für uns sind aber noch auch noch die Investitionen des Gebäudemanagements erwähnenswert, die im Jahr 2022 rund 7,3 und im Jahr 2023 rund 8 Millionen Euro betragen. Hier sind die Mittel für die notwendigen Sanierungen des „Jugendzentrums Alte Post und der BBS II“ enthalten. Im Rahmen der Schulentwicklungsplanung sind umfangreiche Erweiterungen an den Grundschulen Früchteburg, Westerburg und Wybelsum geplant. Beim nächsten Tagesordnungspunkt werden wir diese Maßnahmen sicherlich einstimmig beschließen.                                                                                 

Und auch der BEE investiert wieder beträchtlich. Die Aufwendungen für den Baubetrieb belaufen sich auf rund 15,3 Millionen Euro. Der Verlustausgleich für die Friedhöfe belaufen sich auf 600 Tausend Euro. Wir halten unseren Vorschlag, einen Gedächtniswald von einem privaten Betreiber im Stadtwald zu errichten, aufrecht. Die Nachfrage ist da, und Kosten entstehen der Stadt nicht! Was in vielen anderen Städten, auch in Ostfriesland, möglich ist, müsste auch in Emden möglich sein.

Das hohe Defizit des Emder Krankenhauses beträgt auch in diesem Jahr wieder von rund 4,2 Millionen Euro, bis zur Fertigstellung des Zentralklinikums muss dieser jährlicher Zuschuss reduziert werden. Wir von der FDP-Fraktion hoffen, dass das Zentralklinikum kommt und die niedersächsische Landesregierung eine so hohe Förderung gibt, dass wir dem Bau dann auch endlich abschließend zustimmen können. Die ständigen Anfragen durch die GfE zum ZK sind u.E. kontraproduktiv.

Das kulturelle Leben in unserer Stadt kam wegen Corona ins Hintertreffen. Nach den Lockerungen werden wieder mehr Veranstaltungen angeboten, und das ist gut so. Picasso soll mal gesagt haben: „Kunst wäscht den Staub des Alltags von der Seele.“ Das dürfen wir in dieser Zeit nicht vergessen.

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir verhalten uns in Emden antizyklisch, das ist auch für die Emder Wirtschaft von Vorteil, auch wenn die Neuverschuldung im Kernhaushalt bis zum Jahr 2025 auf 94 Millionen Euro und im Gebäudemanagement auf 42 Millionen Euro steigt. Die gesamte Verschuldung muss mittelfristig unbedingt begrenzt werden, insbesondere durch strukturelle Verbesserungen im Ergebnishaushalt, um zumindest die Tilgungsleistung wieder zu erwirtschaften.

Aufgrund der Pandemie brauchen wir kein Haushaltssicherungskonzept erstellen, allerdings sind im Rahmen der Haushaltsstrukturkommission Konsolidierungsmaßnahmen durchzuführen. Aufgrund der hohen Defizite im Haushalt muss die Haushaltsstrukturkommission ihre Arbeit schnellstens wiederaufnehmen. Dabei darf es keine Tabus bei den Einsparungen geben! Aber eins ist für mich und meine Fraktion sicher: Die horrenden Defizite werden wir auch mit der Strukturkommission nicht beseitigen können. Hier sind Hilfsprogramme des Bundes und des Landes zwingend notwendig.

Anmerken möchte ich zum Schluss: Der Rat kann von sich mit Fug und Recht behaupten, dass er gemeinsam die Attraktivität der Innenstadt erhöht hat. Hier nenne ich die Umgestaltung des Neuen Marktes, welche von der Bürgerschaft und den Kaufleuten bereits jetzt als gelungen betrachtet wird. Lediglich die Straßenführungen sorgen noch für Unmut. Hoffentlich kommt eine tragfähige Lösung zustande. Und es fehlt mindestens noch ein Parkhaus und ein gutes Parkraumbewirtschaftungssystem.

Sehr geehrte Damen und Herren,

auch bei diesem Haushalt stellt sich die Frage der Zukunft unserer Stadt. Eine Debatte, in welcher Gesellschaft wir leben und wie wir diese gestalten wollen und wie verantwortungsvoll wir mit den Geldern der Bürgerinnen und Bürgern umgehen, ist unausweichlich und Basis des demokratischen Zusammenlebens. Populismus und Sonntagsreden sind dabei aktuell in diesem Rat nicht zu finden und das ist gut so!

Ich danke allen Beteiligten für die intensive Unterstützung und die gute Arbeit.

Die FDP-Fraktion wird dem Haushalt 2022 zustimmen.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit