FDP Emden fordert Aufklärung zu PFAS-Belastungen in Stadt und Küstenregion
Im Rahmen der Recherche „Forever Pollution Project“ von NDR, WDR und der Süddeutschen Zeitung wurde bekannt, dass in Deutschland mehr als 1.500 Orte mit PFAS (per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen) belastet sind – darunter über 300 Hotspots mit potenziell erheblichem Gefährdungspotenzial für Mensch und Umwelt.
Zusätzlich berichtet die Ostfriesen Zeitung heute über Greenpeace, die Ende Juni 2025 nach eigenen Angaben 17 Stichproben von Meerestieren entnommen haben – direkt auf Fischkuttern, auf Märkten und in Geschäften. Die Proben stammen u a. aus Cuxhaven, Büsum, Bremerhaven und Hamburg. Laut den Ergebnissen überschreitet bereits eine Mahlzeit von 150 Gramm Scholle, Hering, Steinbutt oder Krabben die von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit empfohlene wöchentliche Aufnahmemenge an PFAS für Erwachsene. Die gemessenen Werte wurden von beteiligten Wissenschaftlern als besorgniserregend eingestuft.
Vor diesem Hintergrund möchte die FDP-Fraktion gerne wissen, ob und in welchem Umfang im Stadtgebiet Emden sowie in angrenzenden Gewässern Untersuchungen hinsichtlich PFAS-Verunreinigungen durchgeführt wurden oder geplant sind. Insbesondere interessieren uns folgende Punkte:
- Gibt es bekannte oder vermutete PFAS-Belastungen im Boden, Grundwasser, in unserer Kläranlage oder in der Küstenregion rund um Emden?
- Wurden in der Vergangenheit PFAS-haltige Löschmittel eingesetzt?
- Existieren Altlastenflächen, die im Zusammenhang mit PFAS untersucht wurden oder werden?
- Erfolgt ein Monitoring oder eine systematische Erhebung zu PFAS durch die Stadt oder in Zusammenarbeit mit Landesbehörden?
- Wie wird die Bevölkerung über mögliche Belastungen informiert, und welche Maßnahmen zur Risikominimierung sind vorgesehen?
In diesem Zusammenhang möchten wir auch auf das Forschungsprojekt PANTHER (PFAS – Alternativen in neuen Thermoplasten für Reibanwendungen) hinweisen, das derzeit an unserer Hochschule durchgeführt wird. Ziel ist es, nachhaltige Ersatzstoffe für PFAS-haltige Kunststoffe zu identifizieren und zugänglich zu machen. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen des DATIpilot-Programms gefördert und läuft von Dezember 2024 bis Mai 2026 unter der Leitung von Prof. Dr. Matthias Graf.
- Steht die Verwaltung mit der Hochschule zu dem Thema in Kontakt?
Angesichts der Langlebigkeit und gesundheitlichen Risiken dieser Stoffgruppe wäre in unseren Augen eine transparente Kommunikation und frühzeitige Aufklärung der Bürger von großer Bedeutung.
Die Stadt Emden ist bestrebt, den gesetzlichen Verpflichtungen, die seitens des Gesetzgebers an sie gestellt wird, nachzukommen. Für die Überwachung der Gewässer einschließlich der Gewässersedimente in der Küstenregion rund um Emden (Bundeswasserstraße Ems sowie Küstengewässer) ist der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) zuständig. Daher wurden die entsprechenden Antworten zu den unten aufgeführten Fragen mit dem NLWKN abgestimmt.
Vorbemerkung:
PFAS sind eine umfangreiche Gruppe von Industriechemikalien. Zur Gruppe der PFAS zählen mehrere tausend Substanzen. Es handelt sich um organische, vom Menschen hergestellte Verbindungen, die kein natürliches Vorkommen haben. Sie werden aufgrund ihrer wasser- und fettabweisenden Eigenschaften sowie ihrer Stabilität und Langlebigkeit (Persistenz) seit Jahrzehnten in vielen Industriebereichen und Konsumentenprodukten gezielt eingesetzt. Die Eintragspfade sind dementsprechend vielfältig. Zahlreiche PFAS, vor allem die perfluorierten Verbindungen, sind bekannt dafür, toxisch zu sein, sich in der Nahrungskette anzureichern oder mobil zu sein. Einmal in die Umwelt gelangt, lassen sich PFAS kaum oder nur mit großem Aufwand wieder entfernen. Sie sind bereits auf der ganzen Welt zu finden. Die PFAS Befunde in Meeresschäumen verdeutlichen die weitverbreitete (ubiquitäre) Auffindbarkeit von PFAS in den Umweltmedien. Bestimmte PFAS sind in der EU seit 2010 (PFOS) und seit 2020 (PFOA) in der POP Verordnung geregelt. Diese regulatorischen Maßnahmen führten einerseits zu einer Reduktion der Belastungen, andererseits ist auch erkennbar, dass neue fluorierte Substitute in die Umwelt gelangen. Auf europäischer Ebene wird daher derzeit an einer umfassenden Regulierung dieser Stoffgruppe gearbeitet. Trotz der besorgniserregenden Stoffeigenschaften sind bisher nur sehr wenige PFAS gesetzlich reguliert und können überhaupt in der Umwelt mit den zur Verfügung stehenden Messverfahren überwacht werden. Von den zahlreichen PFAS Verbindungen ist bislang lediglich der Einzelstoff Perfluoroctansulfonsäure (PFOS) in der Tochterrichtlinie zur Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) gesetzlich geregelt und wurde 2016 national in Anlage 8 der Oberflächengewässerverordnung (OGewV2016) übernommen. Dieser wird daher im Rahmen des Wasserrahmenrichtlinien (WRRL)-Monitorings regelmäßig in den niedersächsischen Oberflächengewässern untersucht und bei der Bewertung des chemischen Gewässerzustands nach WRRL entsprechend berücksichtigt. Das bisherige Monitoring in Niedersachsen / Deutschland hat das Vorkommen von PFOS und PFOA in den Oberflächengewässern und im Abwasser nachgewiesen (siehe auch: https://www.umweltbundesamt.de/pfas-in-fluessen-seen-meeren). Eine Anpassung der Vorgaben für das WRRL-Monitoring in Oberflächengewässern und Grundwasser ist geplant. Die Landesregierung plant, ein orientierendes landesweites PFAS-Monitoring von Boden, Grundwasser, Oberflächengewässer sowie Abwassereinleitungen voraussichtlich beginnend ab dem Jahr 2026 über einen Zeitraum von drei Jahren durchzuführen.
Ihre Fragen beantworte ich nach Abstimmung mit dem zuständigen NLWKN wie folgt:
Gibt es bekannte oder vermutete PFAS-Belastungen im Boden, Grundwasser, in unserer Kläranlage oder in der Küstenregion rund um Emden?
Wie oben bereits erwähnt, wird der Stoff PFOS im Rahmen des WRRL-Monitorings laut Aussage des NLWKN für die Oberflächengewässer an bestimmten Messstellen gemessen. Auf deutscher Seite gehen derzeit die Ergebnisse der Biota-Untersuchungen in die Bewertung nach WRRL ein. Hier gibt es derzeit keine Überschreitungen. Um die Relevanz und Verbreitung weiterer Vertreter beziehungsweise der gesamten Stoffgruppe frühzeitig abschätzen zu können, hat der NLWKN bereits in den Jahren 2018 und 2019 ein Sonderuntersuchungsprogramm mit Sediment- und Schwebstoffproben durchgeführt. Die Ergebnisse dieser Monitoring-Studie bestätigten die erwartete, ubiquitäre Belastung niedersächsischer Oberflächengewässer mit PFAS beziehungsweise weiteren fluorhaltigen organischen Stoffen (siehe NLWKN Bericht in der Anlage). Weitere Untersuchungen zu Schwebstoffen und Sedimenten liegen beim Umweltbundesamt vor (siehe auch: https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/sumpfas-besorgniserregenden-per-polyfluorierten).
In beiden Berichten wird z.B. die Messstelle „Buntelsweg“ an der Knock und „Gandersum“ an der Ems erwähnt (nächste Messstellen zu Emden). 2008 wurde der Klärschlamm der städtischen Kläranlage in Abstimmung mit dem Niedersächsischen Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz über einen Zeitraum von 1 ½ Jahren auf PFAS untersucht. Bis auf ein einzelnes Probenahmeergebnis wurde bei allen Untersuchungen die Nachweisgrenze nicht überschritten. Die einzelne Überschreitung war zudem mit 1 µg/kg Ts sehr gering.
Meeresschaum wurde seitens des Landes Niedersachsen bzw. durch den NLWKN bisher nicht auf PFAS untersucht. Die Erkenntnisse hier basieren auf der Befundlage in benachbarten Ländern (z. B. Niederlande, Belgien, Dänemark, Schweden). Aufgrund der ubiquitären Verbreitung von PFAS ist anzunehmen, dass sich die PFAS-Konzentrationen in Schäumen an der deutschen bzw. niedersächsischen Küste und damit auch in der Küstenregion rund um Emden in einer ähnlichen Größenordnung bewegen.
Wurden in der Vergangenheit PFAS-haltige Löschmittel eingesetzt?
Laut Aussage des Fachdienstes Brand-, Zivil und Katastrophenschutz der Stadt Emden wurden in der Vergangenheit keine PFAS-haltigen Löschmittel im Einsatz eingesetzt. Dies lässt sich sicher bis in das Jahr 1998 rückverfolgen. Alle Mehrbereichsschaummittel der Feuerwehr Emden sind und waren ohnehin schon immer PFAS- frei. Das Schaummittel auf dem Tanklöschfahrzeug (TLF), welches im Juni 2025 ausgesondert wurde, war noch PFAS haltig und wäre nur zur Menschenrettung eingesetzt worden. Bis Juli 2025 gab es dafür auch noch eine Ausnahmeregelung, um das Schaummittel im Einsatzfall zu verwenden.Auf dem neuen Pulver-TLF wird PFAS-freies Schaummittel vorgehalten. Grundsätzlich wurde PFAS in der Brandbekämpfung vorranging nur in Schaummitteln verwendet, welche speziell für Flüssigkeitsbrände eingesetzt werden.
Existieren Altlastenflächen, die im Zusammenhang mit PFAS untersucht wurden oder werden?
Das Altlastenverdachtsflächenkataster der Stadt Emden verzeichnet laut Aussage der UnterenBodenschutzbehörde der Stadt Emden lediglich eine Ablagerungsfläche für Papierrollen (als Brandschadensrückstände) in einem Spülfeld des Emder Hafenbetreibers NPorts. Im Zuge der Untersuchung der Wiederherstellung der Bebaubarkeit der Ablagerungsflächen wurde auch eine PFAS-Belastung teilweise in den abgelagerten Papieren und in dem umgebenden Boden festgestellt. Die bisherigen Erkenntnisse führen díe PFAS-Verunreinigung auf die dort abgelagerten und mit PFAS „ausgerüsteten“ Papiere (für das Ernährungsgewerbe) zurück, Löschschäume wurden bei dem Großbrand in der Lagerhalle für Papierrollen im Jahre 2001 nachweislich nicht eingesetzt. Derzeit erfolgt im Auftrag von NPorts eine abschließende Bewertung und die Erarbeitung eines Sanierungskonzeptes durch ein Ingenieurbüro unter Berücksichtigung des Leitfadens zur PFAS- Bewertung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz.
Erfolgt ein Monitoring oder eine systematische Erhebung zu PFAS durch die Stadt oder in Zusammenarbeit mit Landesbehörden?
PFAS im Grundwasser wurden laut Aussage des NLWKN in Niedersachsen bislang ausschließlich projektbezogen untersucht. Voraussichtlich ab 2026 ist ein systematisches landesweites Monitoring auf PFAS im Grundwasser geplant. In diesem landesweiten Monitoring werden nach jetzigem Messstellenbestand keine Standorte im Stadtgebiet Emden enthalten sein. Der Fachdienst Gesundheit der Stadt Emden teilte ferner mit, dass ab 2026 die PFAS-Überwachung für die Wasserversorger (hier: z.B. Stadtwerke Emden) verpflichtend wird. Zunächst wird ab 2026 die PFAS-20-Überwachung greifen – ab 2028 folgt dann die Überwachung der PFAS-4-Perimeter. Das Gesundheitsamt wird hierbei mit der Beprobung des Trinkwassers des Wasserwerkes (hier: Tergast) beauftragt und ist folglich im Verfahren beteiligt. Dies bedeutet u.a. auch, dass die Ergebnisse der Beprobung bekannt sind und Erkenntnisse vorliegen, sofern es zu Grenzwertüberschreitungen käme. Des Weiteren überwacht das Gesundheitsamt die Einhaltung der o.g. Überwachungspflicht. Im Vorfeld (Oktober 2023) hat bereits eine Beprobung des Trinkwassers (hier: PFAS-20) stattgefunden, die zwischen dem Fachdienst Gesundheit und den Stadtwerken Emden abgestimmt worden ist. Hierbei ging es zum einen um die Erprobung der Praxis für die künftige Pflichtüberwachung und zum anderen um frühzeitige Ergebnisse zur PFAS-Konzentration. Der Befund der Beprobung des Trinkwassers war negativ – also ohne Befund. Die künftige Beprobung des Wasserwerkes dieser o.g. Parameter wird regelmäßig erfolgen. Neben den o.g. Akteuren wird auch das Nds. Landesgesundheitsamt (NLGA) Kenntnis von den Ergebnissen der Beprobung erhalten, so dass an dieser Stelle die Informationen landesweit zusammenlaufen werden. Es darf davon ausgegangen werden, dass das NLGA in diesem Zusammenhang entsprechend berichten wird.
Wie wird die Bevölkerung über mögliche Belastungen informiert, und welche Maßnahmen zur Risikominimierung sind vorgesehen?
Das Gesundheitsamt sowie die Stadtwerke Emden werden wie oben beschrieben im Rahmen des Trinkwassermonitorings tätig werden, um eine mögliche PFAS-Belastung des Trinkwassers aufzuspüren. Sollten hierbei Auffälligkeiten oder Grenzwertüberschreitungen festgestellt werden, würden die zuständigen Stellen selbstverständlich umgehend berichten und die Öffentlichkeit entsprechend informieren. Dies ist bis dato nicht der Fall gewesen. Gleichwohl ist aus Sicht der Verwaltung festzuhalten, dass die Thematik der PFAS-Belastung überregional zu bewerten ist. Aufgrund der weiten Verbreitung und komplexen Stoffzusammensetzung ist eine landesweite Koordination erforderlich, um einheitliche Untersuchungs- und Bewertungsmaßstäbe sicherzustellen. Hier ist insbesondere das Land Niedersachsen gefordert, entsprechende Vorgaben zu treffen, die Koordination zu übernehmen und das Monitoring zentral zu bündeln – sowie den Kommunen klare Handlungsanweisungen an die Hand zu geben, wie mit möglichen Belastungen umzugehen ist. Eine transparente Information der Öffentlichkeit kann somit am wirkungsvollsten im Rahmen eines landesweit abgestimmten Vorgehens erfolgen, um Vergleichbarkeit, Verlässlichkeit und eine einheitliche Bewertung der Daten sicherzustellen.
Steht die Verwaltung mit der Hochschule zu dem Thema [PANTHER] in Kontakt?
Die Ergebnisse des Forschungsprojekts PANTHER leisten aus Sicht der Stadt Emden wichtige Grundlagenforschung zu Minimierung der PFAS- Belastung und einen zentralen und überregionalen Beitrag, um den Forschungs- und Industriestandort Deutschland zu stärken. Für das geplante gesetzliche Monitoring der PFAS-Belastung vor Ort liefert das Forschungsprojekt jedoch keine verwertbaren Hinweise/ Hilfestellungen. Die städtischen Überwachungsbehörden stehen daher weder mit den Verantwortlichen an der Hochschule Emden/Leer zum Thema PFAS allgemein, noch im Zusammenhang mit dem konkreten Forschungsprojekt PANTHER in Kontakt.